Freitag, 21. September 2012




da angelt kein mensch
einen schellfisch
vor lauter küste !
verschiedene dampfer
fahren vorbei, beliebig
als wäre überall wasser,
das bis auf den grund
nass ist. die oberfläche
bleibt schiffbar und blau,
eine postkarte lang,
die man von bord schreibt.
gefühl für die nautik
hat niemand, solange
er nicht an land steht
und winkt.

- karl krolow -



Samstag, 15. September 2012





eine reise zerfällt hinter mir.
ich zieh wieder das alte stück himmel über,
die zunge wird schwerer,
leg den augapfel,
der noch immer voll licht ist,
zu den muscheln im schrank.
die würfel liessen wir liegen im hof,
wo wir würfelten um den schatten,
um ein kostbares gewand.

- klaus merz -

Freitag, 14. September 2012





zwischenzeit.

in den bäumen
wartet mein herbst
noch blühen die wiesen
heller als sonst
träumen die tage
tausendfach blau

- marianne rieter -





innerhalb dieses einen
einzigen gedankens

wärst du näher
löste sich die haut

schwiege der fisch
dich auf

- marianne rieter -




schein
bare ruhe
wie wind
stille see
im spiegel
ein himmel
in mir
eine welt
und meer
und mehr

- marianne rieter -

Freitag, 7. September 2012





der wald hinter den gedanken,
die regentropfen an ihnen
und der herbst, der sie vergilben lässt –
ach, himbeerranken aussprechen,
dir beeren ins ohr flüstern,
die roten, die ins moos fielen.
dein ohr versteht sie nicht,
mein mund spricht sie nicht aus,
worte halten ihren verfall nicht auf.
hand in hand zwischen undenkbaren gedanken.
im dickicht verliert sich die spur.
der mond schlägt sein auge auf,
gelb und für immer.

- günter eich -

Montag, 3. September 2012





Aperta la finestra,
sentii il vento. Soffia quasi sempre
in quest'alto paese,
di cui è l'anima e il messaggio.
Ma la mattina presto
è ancora calmo e solo a poco a poco
si leva lungo la giornata,
poi decresce e si posa verso sera,
dà luogo al mito della notte.
Oggi invece è già forte
al nascere del giorno:
lo vedo come curva gli alberi
e immette nelle cime la sua onda,
il suo moto oceanico.
Ché anche il vento, in questa valle aperta,
è aperto senza fine:
spira tra cielo e terra
e viene da lontano e va lontano.
E oggi con la sua segreta
animazione parla di una cosa
che chi sa dove accade
nel vasto mondo: una rivoluzione, 
un gran risveglio, un misterioso evento.


am offenen Fenster
lauschte ich dem Wind. Er bläst fast immer
in diesem hoch gelegenen Flecken,
dessen Seele und Botschaft er ist.
Doch früh morgens
ist er noch flau und erst nach und nach
erhebt er sich über den Tag,
dann nimmt er ab und legt sich gen abend,
gibt dem Geheimnis der Nacht Raum.
Heute aber ist er schon 
bei Tagesanbruch kräftig:
ich sehe ihn, wie er die Bäume beugt
und sein Wogen die Wipfel durchspült
wie ozeanisches Treiben.
Den auch der Wind in diesem offenen Tal
ist endlos offen: 
er weht zwischen Himmel und Erde,
kommt von weither und geht in die Ferne.
Und heute erzählt sein heimliches
Regen von etwas, das
wer weiß wo in der
weiten Welt passiert: eine Revolution,
ein großes Erwachen, ein rätselhaftes Ereignis.

- remo fasani -